Meine IT-Firefighter Werkzeugkiste – Die Eskalationsstufen

In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz. – Dalai Lama

Mit Auseinandersetzungen und Streit ist jeder einmal konfrontiert. In diesem Zusammenhang haben meine Frau und ich für unsere Familie ein Stopwort definiert. Wenn zum Beispiel ein Streit zwischen den Kindern lange anhält und jemand «Sieben» sagt, dann ziehen sich die Betroffenen zurück und wir besprechen das Vorgefallene gemeinsam zu einem späteren Zeitpunkt. Die Pause dazwischen beträgt mindestens zwei Stunden. Im beruflichen Umfeld berücksichtige ich dieses Modell ebenfalls. Vor circa vier Jahren bekam es einen festen Platz in meiner Werkzeugkiste. Es hilft mir bei Konflikten festzustellen, auf welcher Stufe die Eskalation steht. Ab Stufe Sieben ist bereits ziemlich viel Geschirr zerschlagen, da hilft auch kein Coaching mehr.

Was hat es nun mit der «Sieben» auf sich. Friedrich Glasl stellte 1980 ein Phasenmodell der Eskalation vor, mit der sich Konflikte anschaulicher beschreiben lassen. Es besteht aus neun Stufen die in drei Ebenen unterteilt sind. Ab der Stufe «Sieben» beginnt die dritte Ebene. In diesem Stadium gibt es nur noch Verlierer. Wenn wir dann dieses Stopwort sagen, dann sind die Betroffen dabei die Stufe «Sechs» zu verlassen, also die Ebene zwei.

 

Das Abbild beschreibt die neun Eskalationstufen auf drei Ebenen. Ebene eins Win-Win mit 1.Verhärtung, 2.Polarisation und Debatte, 3.Taten statt Worte. Ab Ebene zwei Win-Loose mit 4.Image & Koalition, 5.Gesichtsverlust, 6.Drohstrategien. Auf Ebene drei Loose - Loose mit 7. Begrenzte Vernichtungsschläge, 8. Zersplitterung und 9. Gemeinsam in den Abgrund. Von Stufe ein bis sechs sind Formen von Coaching möglich. Ab Stufe sieben bis neun hilft nur noch ein Machteingriff.
Eskalationsstufen nach Glasl

Auf Ebene zwei sind die betroffenen Personen meist nicht mehr in der Lage den Konflikt selbst zu lösen. Es benötigt Unterstützung. Eine Lösung wird dabei schon schwieriger, wenn eine Rückkehr auf Ebene eins nicht möglich ist. Häufig werden auf dieser Ebene Sachkonflikte zu Beziehungskonflikten. In erster Line muss dann der Beziehungskonflikt gelöst werden, bevor der Sachkonflikt bereinigt werden kann. Möglichkeiten sind in diesem Fall Coaching, Vermittlung oder Mediation.

Ich finde in diesem Zusammenhang eine eigene Typ-Analyse sehr hilfreich. Mir hilft sie dabei, um mich besser in meine und in die Position der anderen Person hinein zu versetzen. Dabei nutze ich die Positions-Wahrnehmungs-Technik, solange es nicht einseitig bleibt. Wenn ich kein Entgegenkommen spüre, dann höre ich damit auch auf. Auf Ebene zwei gibt es weitere Strategien, um einen Konsens zu finden:

  1. Flucht bzw. Vermeidung. Hierbei handelt es sich um einen Konfliktvermeidungsstil. Dieser gehört zu den unproduktivsten, weil er beide Parteien nicht weiterbringt. In einer Organisation führt dieser Stil zum Stillstand, wenn es beispielsweise um das Thema Innovation und neue Ideen geht.
  2. Unterwerfung bzw. Nachgeben. Dabei handelt es sich um den Anpassungsstil. Wenn du jetzt denkst, ich unterwerfe mich nicht. Diese Art der Lösung entsteht häufig, wenn das Machtverhältnis aufgrund der Hierarchie zwischen den Parteien unterschiedlich ist. Ein weiterer Grund bzw. die Folge kann fehlende Motivation sein. Es gibt keine Bereitschaft mehr, für eine bessere Lösung zu kämpfen. Diesen Stil finde ich in der IT-Branche recht interessant. Personen, welche sich einer Organisation anpassen verlagern gelegentlich ihre Motivation in Freizeit- und Community-Projekte.
  3. Kampf bzw. Pokerstrategie. Bei diesem Stil handelt es sich um einen Konfrontationsstil. Mit entsprechender Macht und Hierarchie kann eine Partei ihre Lösung herbeiführen und nimmt bewusst die Win – Loose Entscheidung in Kauf.
  4. Kompromiss. Der Kompromissstil kommt meist in Betracht, wenn beide Parteien ihre Maximalforderungen nicht durchsetzen können. In erster Linie sind die inhaltlichen Positionen entscheidend. Dauernde Kompromisse machen auf längerer Sicht nicht zufrieden. In der Regel gibt es Lösungen, die für beide Seiten besser wären.
  5. Problem lösen.  Dieser Stil wird als kooperative Konfliktlösung bezeichnet. Bei diesem Stil werden die Bedürfnisse und Interessen beider Parteien herausgearbeitet. Das dabei ein Unterschied in den Interessen und Bedürfnissen vorhanden sein kann, wird respektiert. Ziel ist ein Höchstmass der Belange auf ein akzeptables Niveau zu erreichen. Diese Art anzustreben bringt aus meiner Sicht den meisten Mehrwert für eine Organisation. Es bringt beide Parteien auf die Win – Win Ebene zurück, da eine gemeinsame Lösung bzw. ein gemeinsames Ziel entsteht. Mittlerweile bin ich auch davon überzeugt, dass Design Thinking einen Beitrag dazu leisten kann.

Was passiert nun auf Ebene drei. Ein Coaching macht hier keinen Sinn mehr, beide Seiten nehmen bewusst in Kauf zu verlieren, nur um dem anderen Schaden zu können. Es hilft dann nur noch ein Machteingriff, um schlimmeres zu vermeiden. In diesem Zusammenhang fand ich eine sehr kurze Zusammenfassung im Buch «Schwarmdumm» von Gunter Dueck, in der die vier Menschenarten von Cipolla zitiert werden. Meiner Meinung nach passen diese gut auf die drei Ebenen.

  1. Intelligente. Ihre Taten nutzen anderen und sich selbst (Win – Win)
  2. Unbedarfte. Ihre Taten nutzen anderen, ihnen selbst aber nicht (Win – Loose)
  3. Banditen. Ihre Taten nutzen ihnen, auf Kosten anderer (Win – Loose)
  4. Dumme. Ihre Taten schaden anderen, ohne ihnen selbst zu nutzen (Loose – Loose)

Zugegeben, mit «Die Prinzipien der menschlichen Dummheit» von Cipolla handelt es sich um Satire, aber in ihr steckt doch einiges an Wahrheit.

Warum ist dieses Modell für mich so wichtig? Konflikte rauben Energie. Diese unter den Teppich zu kehren oder durch Kämpfe zu lösen, verhindert am Ende ein effizientes Vorgehen. Im Zeitalter der digitalen Transformation so gefährlich wie ein Schwelbrand.

Was für ein Konflikttyp bei der Konsensfindung bist du? Dein Feedback interessiert mich.