Wirklich innovativ ist man nur dann,
wenn einmal etwas danebengegangen ist. – Woody Allen
Die Zeiten ändern sich und heute sind die Erwartungen an Unternehmen gross, schnelle Resultate zu liefern. Schnell bedeutet nicht selten auch Stress und damit schleichen sich Fehler ein. Doch wie begegnen wir diesen? Mein Bewusstsein dafür hat sich vor ein paar Jahren auf einer Zugfahrt von Bern nach Zürich geschärft.
Es war ein sehr kalter Wintermorgen und ich hatte einen Termin in Zürich. Am Bahnhof angekommen machte ich mich auf zum Gleis. Ich wartete und es kam die Durchsage: Aufgrund der Wetterbedingungen bestehen Probleme an den Gleisanlagen, es kommt zu Verspätungen und Zugausfällen. Ein Blick auf die Anzeige, meine geplante Zugverbindung fiel aus. Ich nahm mein Smartphone zur Hand und schaute nach der nächsten Verbindung. Bei dieser Verbindung gab es einen Verspätungshinweis. Da kam ich auf die Idee, nach der vorherigen Verbindung zu schauen und hatte Glück, diese stand noch am Gleis, also nichts wie hin. Es gab sogar noch ausreichend freie Plätze. Nur ein paar Minuten später füllte sich der Zug. Schräg gegenüber setzte sich das Paar Adam und Eva. Es dauerte nicht lange und jeder im Waggon wusste, was sie vorhatten. Sie waren sehr ungehalten und motzten über die Zugverbindung und die Ausfälle, sie würden nicht mehr rechtzeitig zu ihrem Konzert ins Ausland kommen. Adam meckerte laut und sagte: Na, wenn der Zugbegleiter kommt, der kann was erleben. Eva jammerte, dass sie sich doch noch zurechtmachen wollte.
Zwischenzeitlich fuhr der Zug los. Das Gemotze der beiden klang jedoch auch nach fünfzehn Minuten Zugfahrt nicht ab, im Gegenteil jetzt kamen gegenseitige Vorwürfe und Anschuldigungen hinzu. Mein Sitznachbar begann mit den Augen zu rollen, ein anderer klappte sein Notebook zu und holte seine Kopfhörer raus. Drei Personen packten ihre Sachen zusammen und wechselten den Waggon. Zwischenzeitlich war der Zug schon dreissig Minuten unterwegs und sie meckerten und motzten sehr ausdauernd, immer mit der Bemerkung den Zugbegleiter zur Sau zu machen, wenn dieser auftaucht. Nach etwas mehr als vierzig Minuten kam der Zugbegleiter zur Ticketkontrolle. Adam stand auf und der Zugbegleiter fragte ihn proaktiv: Kann ich Ihnen helfen? Ich war gespannt, was wohl jetzt für eine Tirade an Vorwürfen auf ihn einprasseln würde, aber nichts da. Die Problematik wurde ruhig und sachlich geschildert. Der Zugbegleiter suchte für sie nach möglichen Zugverbindungen und es kam auch zur Sprache, dass der Bahnhof Zürich Duschen hat. Nachdem der Zugbegleiter weiterging, beruhigte sich die Situation schlagartig, Adam und Eva prüften weitere Verbindungen, machten neue Pläne, auch die gegenseitigen Vorwürfe verstummten. Nur fünf Minuten später traf der Zug in Zürich ein.
Kurz gesagt: Sie hatten eine zufriedenstellende Lösung gefunden und das in einer «relativ» kurzen Zeit. Doch halt, war es wirklich eine kurze Zeit?
Betrachten wir das Beispiel aus der Kanban-Sicht, hier haben wir die zwei Messgrössen Lead- und Cycle Time. Als Lead Time wird die Zeit bezeichnet, die vom Beginn des Problems bis zur Lösung aufgewendet wird. Als Cycle Time gilt der Zeitpunkt, an dem damit begonnen wird, das Problem aktiv zu lösen (Value Adding Time).
Aus meinem Blickwinkel begann die Lead Time als sich Adam und Eva setzten und ihr Problem jedem im Zug bewusst wurde. Die Cycle Time begann mit dem Eintreffen des Zugbegleiters, da ab diesem Zeitpunkt eine Lösungsstrategie begann. Die Effizienz dieser Problemlösung kann nun wie folgt berechnet werden:
Effizienz = Value Adding Time / Lead Time
Die Lead Time in meinem Erlebnis setzt sich aus der Verspätung 15 Minuten bis Abfahrt und 60 Minuten Zugfahrt zusammen. Das macht ein Total von 75 Minuten. Die Lösungszeit betrug ungefähr 10 Minuten. Setzen wir die Werte ein, dann ergibt das folgendes Resultat:
0.13 = 10 / 75
Die Effizienz dieser Lösung beträgt 13 Prozent. Somit lässt sich belegen, dass Meckern, Motzen und Jammern nicht effizient genug für eine Fehlerkultur sind. 87 Prozent der Zeit wurden dafür aufgewendet, um zu Motzen, zu Meckern und sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.
Das geübte Auge wird jetzt sagen, halt diese Betrachtungsweise deckt nicht alle Faktoren ab. Das stimmt, einerseits gab es einen glücklichen Umstand, mit dem eine Lösung möglich wurde. Der Zugbegleiter mit seiner proaktiven Herangehensweise konnte Adam und Eva aus ihren Jammertal rausholen. Nach anfänglicher Unterstützung waren sie auch wieder selber in der Lage weitere Lösungen zu entwickeln.
Was bleibt sind die Auswirkungen auf das Umfeld. Der Sitznachbar und ich entschieden uns dazu, die angedachten Aufgaben nicht zu erledigen. Ich gehe von mir aus, wenn ich sage, dass der Geräuschpegel nicht die notwendige Konzentration für unsere geplanten Aufgaben zuliess.
Drei Personen verliessen den Waggon, sie waren letztlich sehr konsequent in ihrem Handeln. Handelten sie eventuell nach folgenden Motto:
ONE OF THE HAPPIEST MOMENTS
IN LIFE IS WHEN YOU FIND
THE COURAGE TO LET GO
OF WHAT YOU CANNOT CHANGE – unbekannt
Niemand der Anwesenden im Waggon mischte sich in das Gespräch von Adam und Eva ein, um Lösungen vorzuschlagen. Warum, dass lässt sich sehr schwer beantworten. Eine mögliche Ursache kann der «Omission Bias» sein. Ein typischer Denkfehler, der die Neigung auf Unterlassung begünstigt, aus Angst vor Fehlern. Dieser Denkfehler ist schwer nachzuweisen und bei der Etablierung einer Fehlerkultur ebenfalls eine Herausforderung für sich. Eine andere Ursache kann durchaus auch Resignation sein – Warum helfen, bringt doch nichts. Ein anderer Aspekt kann auch die fehlende Zusammengehörigkeit sein mit der Auswirkung: Das ist nicht mein Problem, warum soll ich es zu meinem werden lassen? Dies kann auch den Ursprung im Bystander Bias haben, es hat genügend andere Anwesende die handeln und Verantwortung übernehmen können. In Projekten kann dies der Teamarbeit eine neue Dimension verleihen, Toll ein anderer machts.
Kommen wir zurück auf Motzen, Meckern und Jammern und warum dieser Stil für eine Fehlerkultur nicht effizient genug ist. Mit sehr wenigen Worten kann es kurz und knackig zusammengefasst werden:
Fehlern mit einer positiven und konstruktiven Grundeinstellung zu begegnen spart dir wertvolle Zeit. Adam und Eva wären mit diesem Ansatz weit effizienter gewesen und hätten das Umfeld nicht mit ihrem Problem abgelenkt.
Motzen, Meckern und Jammern führen häufig zu Überreaktionen, die eine Sicht auf Lösungen versperren können. Hinzu kommt meist ein verletzender Kommunikationsstil. In meinem Erlebnis auf der Zugfahrt konnte das Problem gut gelöst werden. Es gibt aber Situationen da wird der Aufwand um einiges höher passende Lösungen aufzuzeigen, denn die Sicht darauf ist aufgrund der Überreaktion einfach versperrt. Deswegen ist diese Art auch wenig effizient und passt nicht in die Etablierung einer Fehlerkultur mit der eine Verbesserung erreicht werden soll. Die möglichen Verbesserungen werden nicht sichtbar bzw. auch als Probleme wahrgenommen.
Andere Extreme sind die Gleichgültigkeit, die häufig als Pragmatismus getarnt daherkommen kann und der «Omission Bias».
Auf dem Weg zu einer Kultur wo Fehler erlaubt sind, um daraus zu lernen, Ideen zu entwickeln und das Experimentieren zu fördern, denkbar herausfordernde Begleiter für welche es Strategien benötigt.
Dein Anfang beginnt mit:
NUTZE DEINE FEHLER –
du wirst daran wachsen! – unbekannt
Was für Erfahrungen und Erlebnisse hast du gemacht? Dein Feedback interessiert mich!