Das Wichtigste in einem Gespräch ist zu hören, was nicht gesagt wurde. – Peter F. Drucker
Das Kano-Modell befindet sich seit mehr als zehn Jahren in meiner Werkzeugkiste. Ich benutze es als wesentliche Grundtechnik bei der Erhebung von Anforderungen.
Es unterteilt die Kern-Anforderungen in die drei folgenden Kategorien:
Innerhalb dieser letzten zehn Jahre hatte ich die Gelegenheit zwei Mal eine ausführliche Kano-Analyse zu erstellen. Diese ist sehr aufwändig und in der heutigen Arbeitshektik so nicht mehr oder nur unter bestimmten Voraussetzungen umsetzbar.
Die Ergebnisse der ausführlichen Analyse werden in einem Kano-Grid dargestellt. Die Dimensionen reichen dabei von einer dysfunktionalen hin zu einer voll funktionalen Lösung auf der horizontalen Linie. Auf der vertikalen Linie findet die Kundenzufriedenheit Platz.
Die Grundidee dieser Analyse verwende ich heute noch und habe sie mit anderen Modellen kombiniert.
Wie unterscheiden sich die Anforderungen?
Basisanforderungen betrachtet der Kunde als selbstverständlich, häufig handelt es sich um sein Daily Business, also seine Routinen. Das Fehlen dieser Anforderungen führt beim Kunden zur Unzufriedenheit. Die Herausforderungen dabei: Über Selbstverständliches wird selten kommuniziert und so fällt es dem Kunden erst auf, wenn er das erste Mal die Lösung betrachtet. Kurze Iterationen und regelmässige Sprintdemos kann ich dir in diesem Zusammenhang nur empfehlen. Wieso? Basisanforderungen stehen sehr selten in den Anforderungsdokumenten des Kunden. Ein Anzeichen von fehlenden Basisanforderungen kann sein, wenn nach jeder Demo weitere neue Anforderungen hinzukommen.
Leistungsanforderungen sind dem Kunden bewusst. Diese sollen eine bestehende Unzufriedenheit lösen und können sprachlich ausgedrückt werden. In der Regel existieren sie in den Anforderungsdokumenten.
Begeisterungsanforderungen sind in diesem Bereich etwas Besonderes. Der Kunde erwartet die Merkmale nicht und ist regelrecht begeistert von diesen. Begeisterungsanforderungen haben einen Nachteil: Sie funktionieren genau ein Mal und wandern beim nächsten Projekt in die Basisanforderungen ab. Hier tritt der sogenannte Gewöhnungseffekt ein.
Das ist die Theorie, in der Praxis kommen nicht selten Kommunikationskonflikte und Missverständnisse hinzu, mit denen eine passende Lösung gelegentlich nur über Umwege möglich wird.
Aus diesem Grund habe ich das Kano-Modell über das Kompetenz-Modell gelegt. Es hilft mir ein besseres Verständnis zu bekommen und zu vermitteln. Des Weiteren betrachte ich je nach Projekt ebenfalls Abgrenzungskriterien. In die Abgrenzung von Anforderungen fallen bei mir die Merkmale, welche nicht umgesetzt oder in Konflikt mit gesetzlichen Grundlagen oder ähnlichen Faktoren stehen können. Ich möchte damit wiederkehrende Diskussionen und Debatten ohne Mehrwert vermeiden. Auch Qualitätskriterien als Kostentreiber in Fixpreisprojekten zählen dazu. Es ist sozusagen meine Art von «Inspect & Adapt» und der Risikominimierung je nach Ausgangslage.
Die Zuordnung der Kompetenzstufen zu den Anforderungsarten zeigt folgende Abbildung:
Den Basisanforderungen habe ich die Stufe unbewusste Kompetenz zugeordnet. Dementsprechend kann ich in Workshops entsprechend darauf eingehen. Der Schwerpunkt liegt hier auf «entschlüsseln». Der Vorteil dieser Zuordnung, ich habe dann auch die typischen Denk- und Handlungsfehler wie zum Beispiel die «Selbstüberschätzung» präsent, die in diesem Zusammenhang auf Kunden- und Lieferantenseite auftreten können. Peter F. Drucker sagte in diesem Zusammenhang: «Das wichtigste in einem Gespräch ist zu hören, was nicht gesagt wurde.»
Den Leistungsanforderungen habe ich die bewusste Kompetenz-Stufe zugeordnet. Diese können in der Regel klar formuliert werden, weil sich der Kunde einem Mangel bewusst wurde, den er lösen will. Die Gefahr, welche hier bestehen kann, ist die «Fokussierungsillusion». Es findet eine starke Konzentration auf die Leistungsanforderungen statt. Basis- und Begeisterungsanforderungen leiden darunter und können zur Unzufriedenheit bei den Anwendern führen.
Die Begeisterungsanforderungen beinhalten die zwei Stufen unbewusste und bewusste Inkompetenz. Der Kunde selbst wäre vielleicht niemals auf die Idee gekommen, seine Probleme so zu lösen. Durch diese Art der Begeisterung findet eine Nachahmung statt, die dafür sorgt, dass Funktionalitäten die begeisterten in der künftigen Zusammenarbeit in den Basisanforderungen angesiedelt sind. Es wird erwartet. Ein Zitat, welches ich in diesem Zusammenhang gerne verwende ist von Henry Ford: «Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.» Gefahren welche hier auf einen lauern können sind unter anderem der «Bestätigungsfehler» und der «Dunning-Kruger-Effekt».
Die Abgrenzungsanforderungen haben keine direkte Verbindung zu den Kompetenzstufen. Diese verwende ich als Sicherheit in der Umsetzung. Wenn zum Beispiel ein Team unterschiedliche Ansätze hat und je nach Ansatz der Kostentreiber eine Rolle spielt oder gesetzliche Anforderungen, dann ordne ich diese in den Abgrenzungsanforderungen ein. Es soll dabei helfen, dass Team zu schützen, manchmal auch vor sich selbst. Die Minimierung von Risiken spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Wenn du es ganz genau nehmen willst, dann können die Abgrenzungsanforderungen nach Kano in Unerhebliche Merkmale und Rückweisungsmerkmale unterteilt werden.
In letzter Zeit findet auch eine starke Diskussion um die disruptive Innovation statt. Diese habe ich ebenfalls ins Modell übernommen, um einen Kompass bei Diskussionen zu haben. Mit der Fokussierung bleibt häufig die evolutionäre Innovation, die einen Einbezug des Kunden erfordert, auf der Strecke. Meine Alarmglocken klingen dann beispielsweise bei Aussagen wie: «Der Kunde hat doch keine Ahnung».
Mein angepasstes Modell in der folgenden Abbildung:
Je nach Anforderungsart habe ich weitere Methoden und Erhebungstechniken in meiner Werkzeugkiste. Auf diese werde ich zu einem späteren Zeitpunkt eingehen.
Wie gehst du mit den Anforderungen deiner Kunden um?
Dein Feedback interessiert mich!
2 Kommentare.
Coole Idee die Modelle zu verbinden.
Mir fehlt der Gedanke „Anforderungen sind Annahmen“ und wie gehen wir damit um.
Vielleicht kann man das noch mit dem Kompetenzmodell reinbringen
Hallo Peter, Danke für den Hinweis, diese Problematik ist nicht zu unterschätzen, dass stimmt.